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Autor der Website:
Friedrich Forssman
Schloßteichstraße 3
34131 Kassel
mail@kassel-mulang.de

Dank und Nachweise
am Fuß der Seite.

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»Gruß vom Herkules-Bergrennen in Kassel, am 22. Mai 1927«. Werbepostkarte des Kasseler Tageblatts, Blick in die Obere Königstraße in Richtung des Landesmuseums. Hier klicken für die unbeschriebene Rückseite mit einem Zeitungs-Werbeaufdruck.*MA

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Der Simson Supra von Dr. Helmuth Greger, um 1925. Siehe im Kapitel Villenkolonie den Eintrag zur Wigandstraße 4.*MA


Dr. Ludwig Greger, Sohn von Helmuth Greger, 20er Jahre.*1

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Offizielles Renn-Programm für das Herkules-Bergring-Rennen am Sonntag, dem 22. August 1954. – Auf das Bild klicken (→) für ein PDF des DIN-A5-großen 40seitigen Heftes mit vielen Anzeigen von Firmen aus Kassel sowie von Auto- und Motorrad-Herstellern.*MA

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Neun Fotos des Rennens von 1953, allesamt rückseitig beschriftet »Herkules-Bergrennen 1953. 13.IX.53.«


Fahrerinnen und Fahrer vor der parkseitigen Treppe des Schlosses Wilhelmshöhe.*MA


Zuschauer am Streckenrand.*MA


Startnummer 1.*MA


Startnummer 5.*MA


Startnummer 8.*MA


Startnummer 10.*MA


Startnummer 72.*MA


Startnummer 153.*MA


Der Triumphwagen.*MA

Das Herkules-Bergrennen

»Erstmals ausgetragen wurde der heutige Herkules-Bergpreis von 1923 bis 1927 unter dem Namen Herkules-Bergrennen. Auf der Rennstrecke vom Gutshof über Schloss Wilhelmshöhe, Aquädukt und Kaskadenrestaurant hinauf zum Herkules, die im oberen Teil unbefestigt war und eine Steigung von fast 18 Prozent aufwies, starteten bekannte Fahrer wie Rudolf Caracciola, Carl Jörns, Karl Kappler oder Adolf Rosenberger.
    Von 1951 bis 1954 wurde das Herkules-Bergrennen als Herkules-Bergring-Rennen wiederbelebt. Bis zu 80.000 Zuschauer verfolgten die reinen Motorradrennen auf einem 4,3 km langen Rundkurs durch den Bergpark Wilhelmshöhe
« (Text von der Wikipedia-Seite »Herkules-Bergpreis (→)«).

Im Januar 2020 brachte mir Dr. Helmuth Greger, Kurarzt und Urenkel des Klinikgründers Ludwig Greger (siehe Villenkolonie Mulang / Burgfeldstraße 17 sowie Kurort Wilhelmshöhe / Klinik Dr. Greger) einige Glas-Diapositive aus dem Familienarchiv zum Scannen für diese Website.

Im Folgenden zunächst die Fotos von Rennen der 1920er Jahre (die meisten wohl von Carl Eberth, einige offenbar bislang unveröffentlicht), danach einige weitere Auto-Fotos aus dem Familienarchiv (ebenfalls von Glaspositiven gescannt). Zu den Bildern haben mich Zuschriften von Kennern erreicht, denen ich danke und die ich in den Bildtexten zu Wort kommen lasse; auf die Herkulesrennen-Bilder folgt ein längerer Text von Michael Müller zu Karl Kappler.

In der linken Spalte: unter anderem Fotos des Bergrennens von 1953.

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Ein »Ziel« auf dem Kasseler Friedrichsplatz. Die fünf Rennen in den 1920er Jahren begannen auf der Höhe der Wilhelmshöher Domäne unterhalb des Schlosses und endeten am Herkules-Oktogon. Was für ein Ziel wir also auf dem Bild sehen, muß ich noch herausfinden – Ganz links das Rote Palais (dessen Portal erhalten ist), dahinter das Fridericianum. Rechts das alte Preußische Staatstheater, in den 1950er Jahren abgerissen.*1
Michael Müller: »Wie Sie bereits schreiben, passt das Photo nicht zum eigentlichen Herkules-Bergrennen. Es dürfte sich um eine ›Zielfahrt‹ handeln,  die in Kassel – wie auch bei vielen anderen Veranstaltungen – im Vorfeld ausgeschrieben wurde. Hierbei wurde die längste Anreise bewertet, allerdings nicht linear, sondern nach Gusto. Start- und Zielzeit waren vorgeschrieben, und innerhalb dieses Zeitfensters musste eine selbst zu wählende Strecke bewältigt werden, deren Einhaltung durch Stempel von Tankstellen, Gaststätten usw. zu bestätigen war. War die gewählte Strecke zu lang, und man kam nach der Deadline an, fiel man aus der Wertung. Die Teilnahme war nicht an das Bergrennen gekoppelt, mitmachen konnte jeder, so dass auch Zuschauer diese Möglichkeit der Anreise genutzt haben. Gewonnen hat übrigens in 1927 ein Herr Schwengers aus Kassel mit einem Mercedes 28/95, der von Kassel bis Kassel immerhin 578 km zurückgelegt hatte ...«


Die Sportleitung in der Opernstraße. Dort fand die Abnahme der Wagen statt. Heute ist das Eckhaus zum Platz (hinter dem Transparent »Sportleitung«) der Kaufhof.*1 – Christian Presche schreibt zu dem Foto: »Das Kaufhaus Tietz am Opernplatz, die Bäume des Friedrichsplatzes im Hintergrund, das Wohn- und Geschäftshaus Opernstraße 3, der Flachbau Nr. 5, der Hof Nr. 7 (mit Durchblick auf Königsstraße 29) und rechts angeschnitten das Haus Opernstraße 9 sind leicht zu erkennen - links der Erker gehört noch zu Nr.2 (aufgenommen müßte es aus Nr.6 sein). Gute Aufnahmen der Opernstraße sind eine Seltenheit, und der Anlaß macht das Bild nochmals interessanter. Gibt es dazu eine Datierung? In Nr.9 finde ich das Damen-Haarpflegehaus Chr. Knüppel erstmals im Adreßbuch für 1926, demnach 1925 eingezogen; in Nr. 3 kann ich leider nicht viel lesen, aber dort kamen zur Gastwirtschaft (›zum Feinschmecker‹ - linke Hälfte?), zur Parfümerie Junghenn und zur Kinderwagenhandlung Kaufmann 1926 noch hinzu: Crefelder Seidenhaus Aretz & Co und Kunsthaus Messing (erstmals im Adreßbuch für 1927).«


1926: Hans von Opel beim Sportwagenrennen; er fuhr auch im Rennwagen-Rennen am selben Tag, das er gewann. – Die Aufnahme ist vor dem Marstall und dem Schloßhotel Wilhelmshöhe entstanden.*1
Michael Müller: »Das mit dem ›Gewinnen‹ war damals so eine Sache, bei den üblichen Berg- oder Sprintrennen gab es die Kategorien Touren-, Sport- und Rennwagen, die dann wiederum in Hubraumklassen unterteilt wurden. Und Mitte der 20er Jahre gab es noch die Unterteilung in Privat- und Fabriksfahrer, die auf den Streitigkeiten zwischen AvD und ADAC beruhte. AvD-Mitglieder waren dabei die ›Herrenfahrer‹ und die des ADAC die ›Plebejer‹, wobei Fabriksfahrer alle diejenigen waren, die mit dem Automobil ihren Lebensunterhalt bestritten, also nicht nur echte Werksfahrer, sondern auch Besitzer von Werkstätten, Autoverkäufer usw. Dabei wurden etwa die Opel-Brüder, denen immer die besten Werkswagen zur Verfügung standen, natürlich durch ihren Stand vom AvD als Mitglieder akzeptiert, sie durften somit als Privatfahrer starten. Diese Zersplitterung hatte zur Folge, dass die einzelnen Klassen extrem klein waren und es oftmals nur Solofahrer gab, denen natürlich der Klassensieg nicht zu nehmen war, selbst wenn sie ihr Auto den Berg hinauf schieben mussten. 25 oder 30 Klassen waren nicht unüblich, und jeder Klassensieg wurde als ›Sieg‹ propagiert. Sieger aller Rennwagen und auch Tagesschnellster in 1926 war Adolf Rosenberger mit der ›Grossmutter‹ (Opel kann also nicht stimmen). Ausserdem überlies Opel die Rennwagen eigentlich immer dem Werksfahrer Carl Jörns.«


Anke Rückwarth: »1927: Karl Kappler im Bugatti T 35 C. Zweiter in der Rennwagenklasse nach Adolf Rosenberger«. Nach Auskunft von Gregor Schulz, Redakteur der »Oldtimer Markt« ist der zweite Herr von links »der damalige Mercedes-Vertreter Emil Apell, Rennleiter am Herkules.« – Der Wagen ist bis heute erhalten und fahrbereit.*1


Gregor Schulz: »Startnummer 45 ist ein Austro-Daimler.« – Anke Rückwarth: »1926 nahmen drei Austro Daimler in der Tourenwagenklasse bis 3000ccm teil: Deilmann aus Dortmund, Heidelberg aus Kassel, Umé aus Köln. Das passt leider alles nicht zum Kennzeichen IS = Hannover. 1927 nahm Heidelberg ebenfalls teil.« – Michael Müller: »Stimmt alles, bis auf Heidelberg, der nach meinen Unterlagen aus Göttingen stammte. Das war zwar auch ›IS‹, aber mit der Zahlengruppe 20001-21000. IS-26328 ist definitiv Hannover (25001-41500), und dort finde ich keinen einigermassen bekannten Austro-Daimler-Fahrer.«*1


Gregor Schulz: »10 ist ein Simson Supra.« – Anke Rückwarth / Michael Müller: »1927: Karl Kappler auf Simson Supra – erster Platz Sportwagenklasse bis 8 PS.«*1


Gregor Schulz: »Das ist ein fast bis zu Unkenntlichkeit umgebauter Simson Supra, der auch andernorts in der Region am Start war (→).« – Anke Rückwarth: »1926: Karl Kappler im Simson Supra SS: schnellste Zeit in der Rennwagenklasse bis 3000ccm.«*1


Beim Start an der Wilhelmshöher Domäne.*1 – Gregor Schulz: »Das Bild von Benz-Tropfen-Rennwagen Typ RH ist ein anderes als das bisher bekannte! – Adolf Rosenberger siegte 1924. Meines Wissens nach der erste Sieg eines Rennwagen mit Mittelmotor überhaupt und somit automobilhistorisch höchst bedeutsam! – Adolf Rosenberger war übrigens später Finanzier von Porsche. Da er Jude war, musste er seine Anteile nach 1933 abgeben. Er ging später in die USA, wo er in den 60ern starb.« – Anke Rückwarth: »24. Mai 1925: Adolf Rosenberger auf Benz Tropfenwagen Typ RH. Sieger aller Klassen in neuer Rekordzeit.«


Zweiter von links wieder Emil Apell. – Anke Rückwarth: »1924?
28/95-Tourenwagen. Kennzeichen IZ = Rheinprovinz
«. – Michael Müller: »Ich lese da IT und nicht IZ, also Hessen-Nassau. Muss 5-stellig sein, denn 4-stellige Kennzeichen wurden vor 1914 vergeben, und da Kassel die Gruppe 28101-36100 hatte, wird es wahrscheinlich der bereits oben zitierte A.G. Schwengers sein. Fritzlar hatte 25401-26200, könnte das IT-26... sein? Der Starter ist allerdings ein anderer als 1927, entspricht dem auf dem Photo von Kappler mit dem Supra (Startnummer 25 über 26), welches aus 1925 oder 1926 stammt. Aber Schwengers als Lokalmatodor dürfte in allen Jahren dabei gewesen sein.«.*1


Gregor Schulz: »Hier handelt es sich um einen Werkseinsatz von Mercedes, zu erkennen an der Stuttgarter Zulassung des Autos.« – Anke Rückwarth: »1927: Adolf Rosenberger auf Mercedes Grand Prix 1914. Schnellste Zeit in der Rennwagenklasse – Links, stehend, mit Schirmmütze und Krawatte wieder Emil Apell.*1


Gregor Schulz: »Rudolf Caracciola am Anfang seiner Karriere. Später wurde er erfolgreichster Grand-Prix-Rennfahrer der 1930er (dreifacher Europameister). Von 1938 bis 2017 (!) hielt er den Weltrekord für die höchste jemals auf einer öffentlichen Straße gemessene Geschwindigkeit: 432,7 km/h. Der Wahlschweizer Caracciola starb 1958 in Kassel, wo er in den Städtischen Kliniken behandelt wurde.« – Anke Rückwarth: »1926: Rudolf Caracciola im Mercedes 24/100/140 Kompressor. Klassensieg in der Klasse bis 8000 ccm.« – Michael Müller: »Stimmt natürlich, ich würde aber gerne noch ›Modell K‹ hinzufügen (für ›kurz‹), denn das war 1926 die Werksvariante für den Motosport.«*1


Herr Dieter Dressel (→) mailt mir zu diesem Bild das folgende: »Das Foto zeigt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit den Mercedes 24/100/140 PS Kompressorwagen des Rittergutsbesitzers Adolf Georg Schwengers (Rittergut Kalbsburg bei Fritzlar), der 1924 und 1925 neben anderen Rennen auf Mercedes auch beim Herkules-Bergrennen erfolgreich war. Allerdings ist er dort nicht mit diesem Wagen, der sich dafür wohl nicht eignete (zu lang, zu schwer ...), sondern mit einem 28/95 PS Mercedes gefahren. Wahrscheinlich war dies hier sein ›Privatwagen‹.« – Michael Müller gibt zu bedenken: »Es gibt ja das Photo von Schwengers mit dem 28/95, und der Fahrer hat keinerlei Ähnlichkeit mit dem auf diesem Photo (Rechtslenker).«*1


Herkules-Rennen-Zuschauer auf passendem Sitzplatz? (Wo aufgenommen?)*1 – Gregor Schulz schreibt zu den Wagen: »Das sind beides Opel, hinten wohl ein 4/20, gebaut ab 1927. Zu erkennen an der Kühlerform, dem sogenannten ›Packard-Kühler‹. Das vordere ist ein größeres Modell, denn nur die hatten sechs Radschrauben. Ich tippe auf einen 10/40 PS, gebaut 1927–29.«

E-Mail von Michael Müller


Georg Kimpel mit seinem 4821, Kassel 1927.*MM


Kimpels 4821, Solitude.*MM


Bericht von 1927 aus »Motor und Sport« über das fünfte Herkules-Bergrennen.*MM

»Anke Rückwarth hat Recht mit Kappler und 1927, aber es war kein T35C. ›Warum‹, das ist nicht mit einem Satz abgetan, die Geschichte ist recht kompliziert, aber auch überaus interessant:

Karl Kappler (der sich der Mode der Zeit entsprechend auch gerne Carl mit ›C‹ schrieb, aber generell als Charlie bekannt war) war einer der ersten professionellen Privatfahrer. Er trat überwiegend bei Bergrennen an, und fast immer mit zwei Autos in unterschiedlichen Klassen, um die Chancen auf Preisgelder zu erhöhen. In der Sportwagenklasse bis 2 Liter war er mit seinem Simson Supra Favorit, jedenfalls so lange, wie kein als Sportwagen getarnter Grand-Prix-Bugatti dabei war. Als Bugatti im Frühjahr 1926 den Typ T35T (für ›Targa‹) mit von 2 auf 2.3 Liter vergrössertem Motor auf den Markt brachte, bestellte Kappler ein solches Modell, welches Anfang Juli ausgeliefert wurde (Chassis-No. 4796). Es gab zwar bereits einige T35 mit 2-Liter-Motor in Deutschland, aber Charlie konnte nun in der Klasse 2-3 Liter starten, und hatte dort keine ernsthafte Konkurrenz. Einige Monate später musste er aber feststellen, dass es ein Fehlkauf war, denn ab September 1926 waren die GP-Bugattis mit Kompressor ausgerüstet, der 2 Liter hiess jetzt T35C (für ›compresseur‹, und der 2.3er ›T35TC‹ (später in ›T35B‹ umbenannt), beide mit einer Mehrleistung von 20-30 PS. Einer der allerersten T35C (Chassis-No.4821) ging an Georg Kimpel aus Ludwigshafen; die Geschichte habe ich in diesem (→) Artikel veröffentlicht. Das war ein 2-Liter-Rennwagen, konnte Kappler also weder bei den 3-Liter-Rennwagen noch den 2-Liter-Sportwagen gefährlich werden, aber als im März 1927 der erste T35B (Chassis-No. 4806) an August Momberger geliefert wurde, sah Kappler seine Felle davonschwimmen ...

Kappler soll dann Versuche unternommen haben, seinen T35T auf einen Cozette-Kompressor umzurüsten; nach Beweisen musste ich lange suchen. Mit liegt ein Photo aus Kassel von 1927 vor, welches beide Fahrzeuge Kapplers zeigt, den Bugatti und den Simson Supra. Die Motorhaube des Bugattis ist leider nur undeutlich erkennbar, aber es sind Zusatzschlitze und ein Kompressorloch zu sehen. Das Foto auf Ihrer Website zeigt nun eindeutig eine Haube mit vielen Zusatzschlitzen, und selbst die orinalen sind nun nach vorne und nicht mehr nach hinten geöffnet. Ausserdem kommt mir der Kühler breiter vor als bei älteren Photos von 4796.

Bevor ich dieses Thema vertiefe erst einmal ein Photo von Georg Kimpel mit seinem 4821, ebenfalls von Kassel 1927. Kimpel hat Altmeister Kappler nach allen Regeln der Kunst ausgetrickst und sich in Molsheim eine Tourer-Karosserie beschafft. Diese waren dort 1925 für den Grand Prix Touring in Montlhéry speziell angefertigt worden und lagen seitdem in einer Ecke. Kimpel konnte also bei den Sportwagen starten und Kappler den eigentlich sicheren Klassensieg abnehmen. Ich liebe dieses Photo, Kappler (rechts mit Käppi) guckt wie ein Eichhörnchen nach Waldbrand, und Kimpel scheint zu denken ›Na Alter, jetzt biste platt?‹
.

Die Zeiten sprechen eine deutliche Sprache, 3:50.3 für Kimpel gegen Kapplers 4:22.2 mit dem Simson. Mit dem 4796 schaffte es Kappler aber dann bei den Rennwagen doch, Kimpels Zeit mit 3:48.2 knapp zu unterbieten. Was aber nicht für den Gesamtsieg reichte – der ging mit 3:47.4 an Adolf Rosenberger mit der ›Grossmutter‹, einem 4.5-Liter Mercedes-GP-Rennwagen von 1914 (!), der von Ferdinand Porsche komplett überabeitet und mit einem Kompressor versehen wurde, Leistung angeblich 240 PS. Andere Quellen schreiben, Rosenberger wäre in Kassel mit dem Benz-RH angetreten; ich zweifele auch das an, da er nur wenige Tage später in Wiesbaden nachweisbar mit der ›Grossmutter‹ am Start war. Ob Kappler aber tatsächlich mit einem Kompressormotor in Kassel dabei war, ist unklar; die gefahrene Zeit deutet darauf hin, aber mehr dazu später.

Erst einmal einige generelle Punkte zu dem Thema ›Kompressor und Kühlung‹:
Die Verdichtung eines Motors ist normalerweise volumetrisch, ein Wert von z.B. 8:1 bedeutet, dass der Hubraum eines Zylinders 8 mal so gross ist wie der Brennraum, das Gemisch also auf ein Achtel seines ursprünglichen Volumens komprimiert wird. Ein Kompressor (und auch ein Turbolader) erzeugt eine pneumatische Verdichtung, das Gemisch wird wird durch den Druck komprimiert, wobei dieser von Größe und Drehzahl des Kompressors abhängig ist. Wird also ein Kompressor verwendet, hat bereits das Gemisch im Zylinder Überdruck, der dann zu der eigentlichen Verdichtung addiert wird. Was dann zwei physikalische Effekte verursacht, zum einen Wärmeentwicklung (Stichwort Boyle-Mariotte’sches Gesetz), und zum anderen Früh- bzw. Selbstzündung. Das letztere ist auch bekannt als ›Klopfen‹, wenn sich das Kraftstoff-Luft-Gemisch durch die Hitze bereits enzündet bevor der Kolben ganz oben ist, und dann eigentlich durch die Kerze gezündet wird bzw. werden soll. Diese Selbstentzündungstemperatur eines Kraftstoffs wird durch die Oktanzahl definiert, die wiederum von der chemischen Zusammensetzung des Kraftstoffs abhängt. Je höher die Oktanzahl desto zündunwilliger ist der Kraftstoff, und um so höher kann verdichtet werden. Genau umgekehrt ist es beim Diesel, der ist ja ein Selbstzünder und braucht extrem hohe Verdichtungen, um zu funktionieren.

Man sieht also, dass die Kompressortechnik nicht so einfach ist, wie es im ersten Moment aussieht; ein normaler Motorenbauer mit Maschinenbauausbildung stiess damals an seine Grenzen, gefragt sind Physiker. Es wird ja immer wieder kolportiert, dass Bugatti Kompressormotoren anfangs ablehnte, da sie ›unsportlich‹ wären, aber das war nur eine Ausrede. Fakt ist, dass man die Physik einfach nicht auf die Reihe bekam und jahrelang experimentierte. Die Lösung ist zweigeteilt, zum einen muss man die volumetrische Verdichtung verringern, z.B. von 1:8 auf 1:6, aber damit lag die kumulierte Verdichtung immer noch zu hoch, und das musste mit hochoktanigem Kraftstoff gelöst werden. Das wurde anfangs mit Benzol erreicht (110 ROZ), aber auch mit Alkoholen wie Ethanol (ROZ 115) und Methanol (ROZ 130). Auch hier kommt wieder die Physik ins Spiel, denn Alkohole entwickeln durch die enthaltenen Sauerstoffatome bei der Verbrennung eine innere Kühlung, dieser Effekt war zwar in der Physik seit langem bekannt, musste sich aber erst zu den Motorenbauern durchsprechen. Bugatti verwendete dann ›Elcosine‹, wobei dessen Ursprung undeutlich ist, je nach Quelle entwickelt entweder von BP France zusammen mit Bugatti oder von BP London bereits früher für Sunbeam. Das war ein Gemisch aus Ethanol, Benzol, Benzin, Äther und Rizinusöl (für die Kompressorschmierung), wobei die Menge der einzelnen Komponenten offenbar je nach Hersteller und/oder Kunde flexibel gehandhabt wurde. Die Kunst lag nun darin, alle Parameter genauestens aufeinander abzustimmen, also die kombinierte volumetrische/pneumatische Verdichtung dem verwendeten Kraftstoff anzupassen und die Kühlung entweder durch einen hohen Alkoholgehalt und/oder ein besseres mechanisches Kühlsystem in den Griff zu bekommen. Ausserdem musste darauf geachtet werden, dass die Motorleistung, welche für den Kompressorantrieb benötigt wurde, in einem vernünftigen Verhältnis zu der produzierten Mehrleistung lag.

Die beiden Bugatti-Werkswagen 4830 und 4831, die zusammen mit Kimpels 4821 zu den allerersten drei T35C gehörten, liefen mit hochalkoholischem Elcosine, hatten also weder in Sachen Klopffestigkeit noch Wärmeentwicklung ein Problem. Das Kimpel-Auto 4821 hatte die gleiche Verdichtung (ich habe die Originaldaten aus dem Molsheimer Motorenbau), war aber das IG-Farben-Versuchsauto für Motalin, ein Gemisch aus synthetischem Leuna-Benzin und Ferrocen als Oktanbooster. Diese Suppe war zwar klopffest, enthielt aber keinen innenkühlenden Alkohol, so dass man von Anfang an mit Überhitzungprobleme zu kämpfen hatte. Auf dem beigefügten Photo von der Solitude, nur wenige Tage nach Auslieferung, ist die Haube bereits mit Zusatzschlitzen versehen, von denen die vorderen, auch die der originalen Schlitze, nach vorne offen sind um so mehr Kühlluft in den Motorraum zu bringen, und der Kühler hatte eine Art Trichter für mehr Luftdurchlass.

Kappler hatte bei seinen Kompressorversuchen das gleiche Problem, vermutlich verwendete er das damals übliche BiBo (Gemisch aus Benzin-Benzol) oder das Motalin der BASF/IG Farben, damit bekam man zwar das Klopfen in den Griff, aber nicht die Wärmeentwicklung. Er folgte also dem Vorbild von Kimpel und erhöhte die Kühlluftzufuhr in den Motorraum durch diverse Massnahmen. Das dürfte aber alles nichts genutzt haben, denn die volumetrische Verdichtung des Motors war wohl zu hoch. Wobei das bei einem kurzen Sprint wie am Herkules nicht wirklich problematisch gewesen sein dürfte.

Das Herkules-Bergrennen fand am Sonntag, dem 22. Mai 1927 statt, und viele Teilnehmer reisten direkt weiter nach Wiesbaden zur Automobilwoche, wo bereits am Dienstag, dem 24. Mai das Bergrennen auf die ›Hohe Wurzel‹ auf dem Terminplan stand. Durch Photo ist belegt, dass Kappler am Training teilgenommen hat, gestartet ist er aber nicht, offenbar gab es wieder einmal Probleme mit dem Kompressor bzw. Überhitzung. Am Freitag, dem 27. Mai dann das Rennen ›Rund um den Neroberg‹, hier war Kappler sehr wohl mit dem Bugatti dabei, es gibt auch ein Photo – wenn auch ein schlechtes –, klar zu erkennen sind Loch, Schlitze und breiter Kühler. Bei diesem Rennen ist Kappler ja schwer verunglückt, und es gibt es ein unschönes Photo mit dem Wrack, das mir viel Kopfzerbrechen bereitet hat. Deutlich erkennbar die stark geschlitzte Haube, aber auch die beiden Vergaser. Damit ist bewiesen, dass Kappler am Neroberg den 4796 ohne Kompressor gefahren hat. Offen bleibt, ob das bereits in Kassel und beim Training zum Hohe-Wurzel-Bergrennen so war oder ob er die 2 bzw. 3 Tage bis zum Nerobergrennen genutzt hat, um das Auto wieder auf Vergaser umzubauen. Die Reparatur des Unfallschadens hat Charlie dann genutzt, um den 4796 wieder auf Originalzustand zückzurüsten: Spätere Photos zeigen die normale Werkshaube ohne Schlitze und Kompressorloch.

Bei den Sportwagen war er mit dem Simson-Supra wieder Zweiter mit grossem Abstand hinter Kimpel, und Kappler war klar, dass er seinen Fuhrpark umstellen musste. Im Juli war es dann soweit, mit Finanzierung der BASF / IG Farben legte sich Kimpel einen der nagelneuen Mercedes S zu und verkaufte 4821 an Kappler. Für den Rest der Saison fuhr der beide Autos parallel, 4796 (ohne Kompressor) als 3-Liter-Rennwagen, und 4821 als 2-Liter-Sportwagen. Danach verkaufte er 4796 (mittlerweile gab es hier neue überlegene Konkurrenz mit mehreren T35B) und baute 4821 wieder zurück auf Grand-Prix-Karosserie, die ja bei dem Auto noch dabei war.«

(Nach oben zum Inhaltsverzeichnis.)

  Weitere Automobil-Glas-Diapositive aus dem Familienarchiv Greger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Auf diesem Foto vom Innenhof des Schlosses Waldeck sieht man die in der Mitte des Bildes die Ecke, an der das zweite der Fotos in der rechten Spalte aufgenommen wurde.*MA

Gregor Schulz schreibt: »Bei beiden Autos auf den vier Fotos handelt es sich um NAG. Zu erkennen an der kreisrunden Kühleröffnung.« – Hier klicken (→) für den Wikipedia-Artikel zur Firma »Neue Automobil-Gesellschaft«.


Motorwagen neben dem Oktogon, ca. 1910. Die Herren tun so, als ob der Wagen dahinraste; die Haltung der Dame und die Schärfe der Holzspeichen behaupten anderes.*1

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1910er Jahre.*1 – 17.8.2021: Frau Kati Körner hat den Aufnahmeort identifiziert: Es ist der Hof von Schloß Waldeck. Siehe das Foto in der linken Spalte.


1910er Jahre.*1


1910er Jahre.*1

(Nach oben zum Inhaltsverzeichnis.)
  Dank und Nachweise

Dank an
Dieter Dressel
Dr. Helmuth Greger
Michael Müller
Dr. Christian Presche
Anke Rückwarth

Gregor Schulz
Yannick Philipp Schwarz

Nachweise
*MA Mulang-Archiv, Privatarchiv des Autors und Betreibers dieser Website, Friedrich Forssman, und seiner Frau Cornelia Feyll
*MM Michael Müller
*1 Familienarchiv Greger